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"Starterschüler" berichten über ihre GMS Korb

Aktualisiert: 16. Mai 2023

Sieben Schüler aus den ersten GMS-Klassen trafen sich mit Frau Bitek von der WKZ und hielten Rückblick auf ihre Zeit an der GMS Korb. Hier einige Zitate - sie sollen Appetit machen, den gesamten Artikel zu lesen.

„Und dann hat meine Grundschullehrerin meinen Eltern von dieser neuen Schule erzählt und die waren voll begeistert.“ „Die Selbstständigkeit wurde absolut gefördert und die Individualität sehr groß geschrieben“. "Die Lehrerinnen und Lehrer kontrollierten täglich die Arbeit, zeichnen ab. Es war immer noch eine Kontrollinstanz da, man wurde zu Weiterem gepusht.“ „Ich hatte am (beruflichen) Gymnasium nie das Gefühl, dass wir Gemeinschaftsschüler die schwächeren Schüler wären, sondern im Gegenteil.“

Artikel der WKZ vom 24. Februar 2023


Ehemalige Schüler berichten, was die GMS Korb ausmacht

Von unserem Redaktionsmitglied Keziban Bitek

Die ehemalige Keplerschule in Korb zählt zu den Starterschulen in Baden-Württemberg /

Schüler, die im Jahr 2012 als Erste die Schule besuchten, blicken auf ihre Schulzeit zurück

Vor elf Jahren wurde die Gemeinschaftsschule, eine neue Schulart in Baden-Württemberg, eingeführt. Zu den sogenannten Starterschulen gehörte auch die Gemeinschaftsschule (GMS) Korb – ehemals Keplerschule. Sieben ehemalige Schülerinnen und Schüler, die im September 2012 das Experiment als Erste wagten und nach der Grundschule in die Gemeinschaftsschule wechselten, berichten im Rückblick, wie das Lernen an der GMS war und wie es ihre weitere Entwicklung sowie die Studien- und Berufswahl beeinflusst hat.

„Meine Grundschullehrerin hat mir geraten, dass ich auf die Hauptschule gehen sollte“, sagt Theo Gräf. Er gesteht, damals „was die Schule betrifft, ein sehr fauler Junge“ gewesen zu sein. Das Konzept der neuen Schulform habe sowohl für ihn als auch für seine Eltern „gut und fördernd“ geklungen. „Das war die Hoffnung“, sagt der heute 20-Jährige. „Das ist gut aufgegangen.“ Nach seinem Realschulabschluss an der GMS absolvierte Theo Gräf die Allgemeine Hochschulreife am Beruflichen Gymnasium Nürtingen mit Richtung Agrarbiologie. Derzeit macht er eine Ausbildung als Schreiner. Im Wintersemester 2024/2025 ist sein Ziel, Agrarwirtschaft zu studieren. Hätte es die Schule nicht gegeben, wüsste er nicht, wo er jetzt im Leben stehen würde, sagt er.

Ob sie nach der Grundschule auf eine Haupt- oder Realschule gehen solle, habe „ein bisschen auf der Kippe“ gestanden, sagt die 21-jährige Anna Dimopoulou. „Und dann hat meine Grundschullehrerin meinen Eltern von dieser neuen Schule erzählt“, erinnert sie sich, „und die waren voll begeistert.“ Nach dem Abitur an dem sozialwissenschaftlichen Gymnasium in Ludwigsburg fing sie an, Soziale Arbeit an der Internationalen Hochschule (IU) in Leinfelden-Echterdingen dual zu studieren. In der vorlesungsfreien Zeit arbeitet sie im Kinder- und Familienzentrum im inklusiven Kindergarten der Diakonie Stetten. „Bei mir war der Tag der Offenen Tür ausschlaggebend“, sagt Helina Laternser. „Meine Eltern waren sehr überzeugt davon und haben mich sehr supportet.“ Nach der GMS besuchte sie das Wirtschaftsgymnasium in Waiblingen. Danach war die 20-Jährige auf einem pädagogischen Bauernhof, ein Lern- und Erlebnisbauernhof in Lindau, und machte dort ein einjähriges Praktikum. „Ich habe mich jetzt für ein Duales Studium in Heidenheim für Sozialmanagement entschieden und begleite nebenher die Schulkindbetreuung in Aalen“, sagt sie. „Bei mir war ein bisschen das Problem, dass ich in Mathe im Vergleich zu den anderen Fächern um einiges schlechter war“, sagt Lisa Philipp. „Und deswegen hieß es ‘Eigentlich kann ich aufs Gymnasium gehen, aber sie würden mir doch eher die Realschule empfehlen – einfach weil Mathe so schlecht ist’.“ Als sie erfuhr, dass die Schüler an der GMS „in den unterschiedlichen Fächern“ schauen können, „auf welchem Niveau“ sie sind, und dass „schwächere Fächer mehr gefördert“ werden, habe sie sich schlussendlich für die Starterschule entschieden. Lisa Philipp machte auf dem sozialwissenschaftlichen Gymnasium in Backnang das Abitur. „Dann bin ich ins Allgäu gegangen und habe auf einem Bauernhof ein freiwilliges ökologisches Jahr gemacht“, berichtet sie. „Und jetzt bin ich in Berlin und studiere Jura.“ Auch wenn Lina Staigers Eltern anfangs der neuen Schulform gegenüber etwas skeptisch gewesen sind, hat sich Lina Staiger für die GMS entschieden. Nach ihrem Abschluss ging sie aufs Wirtschaftsgymnasium in Waiblingen und fing im Anschluss daran an, Forensik zu studieren. „Ich habe das aber dann abgebrochen“, sagt die 20-Jährige. Jetzt ist sie für ein halbes Jahr in Neuseeland, um ihre Englischkenntnisse zu verbessern und ein Cambridge-Examen zu machen. „Im September fange ich an, Tiermedizin in Budapest zu studieren.“ Philipp Ujcic entschied sich zunächst für das Saliergymnasium, weil viele seiner Freunde dorthin gingen. Doch nach kurzer Zeit habe er festgestellt, dass „das Lernkonzept, was dort auf der Schule unterrichtet wurde“, nichts für ihn sei. „Ich fand einfach, ich brauche etwas anderes.“ Zu Beginn der sechsten Klasse wechselte er auf die GMS nach Korb und besuchte nach seinem Abschluss ein Jahr lang das Technische Berufskolleg in Waiblingen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) machte er eine Ausbildung zum Mechatroniker für Kälte und Klimatechnik in Remshalden. „Ich war ein bisschen unschlüssig, auf welche Schule ich gehen soll“, sagt Ulrike Seybold. Zwar habe sie den Tag der Offenen Tür verpasst, dennoch die Gelegenheit gefunden, sich bei dem damaligen Schulleiter Thomas Kuntz über die neue Schulform zu informieren. Nach der GMS machte sie auf dem Technischen Gymnasium in Waiblingen das Abitur. Im Anschluss daran absolvierte sie ein FSJ bei der Diakonie Stetten. „Es war eine ganz andere Erfahrung, auf jeden Fall sehr prägend“, sagt die 20-Jährige. Zurzeit arbeitet sie bei der Firma Stihl am Band. „Ich habe noch vor zu studieren.“ Während ihrer Schulzeit an der GMS, aber auch danach hatten die Schüler mit Vorurteilen zu kämpfen. „Viele haben immer gesagt ‘Lernt ihr wirklich was dadurch?’“, berichtet Lisa Philipp. „Das hat man uns total oft unter die Nase gerieben. ‘Wollt ihr danach wirklich weiter aufs Gymnasium? Ist es die Grundlage, die alle anderen auch haben?’“ Auch am Gymnasium sei sie gefragt worden, etwa ob sie sich anders fühlte als diejenigen, die von einer Realschule kämen. Auch Lina Staiger kann sich noch an Reaktionen von Leuten erinnern, denen sie erzählt habe, dass sie auf einer Gemeinschaftsschule sei. Sie habe Sätze wie „Ist es eine Förderschule?“ zu hören bekommen. „Die haben das Konzept gar nicht richtig verstanden, auch wenn man denen das erklärt hat, war es so ‘okay, aber ihr macht ja nichts wirklich.’“ Politiker als Zuhörer im Unterricht Für viele Schüler sei es auch gewöhnungsbedürftig gewesen, als sie anfangs im Unterricht immer Politiker als Zuhörer dabei hatten. „Die haben sich das angeschaut und ihre wildesten Theorien über unseren Unterricht rausgehauen“, sagt Lisa Philipp. „Es war immer so ‘Okay, die gucken jetzt und die bilden sich durch uns ihre eigene Meinung über die Gemeinschaftsschule’“, sagt sie. „Wir waren von dem Konzept so überzeugt und wollten, dass die auch überzeugt sind.“ Die Absolventen sind sich in dem Punkt einig, dass die Bildung an der GMS Korb sie sehr positiv geprägt hat. „Das Einzige, was mir hier nicht beigebracht wurde, was ich dann auf dem Gymnasium gebraucht habe, war dieses Unter-Druck-Lernen“, sagt Anna Dimopoulou. Jedoch findet sie, dass diese Art des Lernens „nicht im Kopf“ hängen bleibe. „Ich fand es richtig toll, dass wir hier entspannt lernen konnten.“ Ihrer Meinung nach werde an der GMS „die Selbstständigkeit absolut gefördert“ und „die Individualität sehr groß geschrieben“. Philipp Ujcic schätzt es, dass „sehr viel auf den persönlichen Charakter eingegangen“ worden ist. Das Ziel, wie ein Schüler seine Schwächen verbessern und seine Stärken ausprägen könne, habe seiner Meinung nach stets im Fokus gestanden. „Ich hatte am Gymnasium nie das Gefühl, dass wir Gemeinschaftsschüler die schwächeren Schüler wären, sondern im Gegenteil“, findet Helina Laternser. Insbesondere während der Corona-Pandemie sei es deutlich zu beobachten gewesen. „Man lernt hier von klein auf das Selbstmanagement und das fehlt vielen Schülern vor allem am Gymnasium.“ Und auch wenn es drei verschiedene Leistungsniveaus im Unterricht gebe, sagt Lisa Philipp, „haben die Lehrer einen auch nicht sich darauf ausruhen lassen“. Die Lehrerinnen und Lehrer kontrollieren täglich die Arbeit, zeichnen ab. „Es war immer noch eine Kontrollinstanz da“, sagt Lisa Philipp, „man wurde zu Weiterem gepusht.“ Rektor Jochen Binder, der seit 2019 die GMS leitet, freut sich über die positiven Erfahrungen der ehemaligen Schüler. „Mehr kann man eigentlich nicht wollen, dass jeder nachher einen Platz findet, wo er sich wohlfühlt“, sagt er. Sowohl Konrektorin Martina Gassner, die bereits vor der Umstellung an der Schule unterrichtete, als auch Bastian Weber, der vom Gymnasium auf die Starterschule kam, sind mit dem Konzept zufrieden. „Wir waren uns ziemlich sicher, dass es klappen wird“, sagt Martina Gassner. Bastian Weber fügt hinzu: „Das haben wir richtig gut hingekriegt.“





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